Die erste Nacht allein!
Im Winter 2017/2018 wagte ich mich alleine in den sibirischen Winter.
Von Anfang November bis Ende Dezember lebte ich sechs Wochen im Dorf Baikalskoe am nördlichen Ende des Baikalsees Ich hatte eine kleine Hütte mit Grundstück und einem Plumpsklo im Garten.
Nun musste ich zwangsläufig auch lernen wie ein Holzofen funktioniert…
Die erste Nacht war furchtbar. Ich war seit dem Sommer die erste Mieterin und so musste erst eine gewisse Grundwärme in die Holzhütte eindringen. Bei meiner Ankunft hatte meine Vermieterin Nina den Ofen zwar mit Feuerholz beladen, angezündet und es lag mehr als genug Holz daneben, allerdings hatte ich die Systematik dessen noch nicht wirklich verstanden. Meine nur rudimentären russisch Kenntnisse halfen auch nicht weiter, als Sie mir erklärte, wie die Luftzufuhr geregelt wird. Auf eines jedoch wies Sie mich mehr als deutlich und wild gestikulierend hin. Den Schieber NIET (Nein) nicht schließen.
Warum? Egal, wird schon einen Grund haben. Danach verabschiedete Sie sich bis zum nächsten Morgen und zog die Tür hinter sich zu. Jetzt war ich zum ersten Mal alleine. Wird schon irgendwie gutgehen. Das Feuer loderte und ich war mir sicher, dass dies ausreichen würde meine kleine Hütte im Laufe der Nacht mit ausreichend Wärme zu versorgen. Ich begutachtete noch ein wenig mein Neues zu Hause und richtete mich so gut es ging ein. Selbstverständlich versäumte ich dabei nicht, immer wieder etwas Holz im Ofen nachzulegen.
Als es dunkel wurde freute ich mich auf mein Bett. In meiner Hütte war es allerdings immer noch nicht wirklich angenehm warm. Ich hatte eine daunengefütterte lange Hose dabei. Die zog ich mir über und legte mich damit ins Bett. Meinen Kopf hielt ich ganz oben auf dem Kopfkissen um möglichst viel von der Ofenwärme abzubekommen. Mir war kalt, aber es ließ sich aushalten.
Nach einiger Zeit wurde ich wach. Ich wusste sofort, irgendetwas stimmt hier nicht. Großer Schreck. Das knistern des Holzes im Ofen war nicht mehr zu hören. Das Feuer fast aus. Hektisch rannte ich um den Ofen herum und legte schnell Holz nach. Puh, gerade noch einmal gutgegangen. Glück gehabt. Während ich mich ins Bett zurück krümelte kam mir der Gedanke, dass dies irgendwie alles nicht so richtig Sinn macht. Es kann doch nicht sein, dass die Menschen hier nachts alle paar Stunden aufstehen müssen um das Feuer weiter zu schüren. Hmmm…unlogisch.
Ich überdachte noch einmal meine Strategie. Was genau hatte Nina jetzt nochmal mit dem Schieber und der Luftzufuhr gesagt? Der Schieber war immer noch ganz geöffnet. Mir dämmerte, dass es wohl nicht sinnvoll ist, die ganze Wärme durch den Schornstein aus dem Haus zu jagen. Okay. Also Schieber schließen. Aber nicht ganz. Ich versuchte es mit etwas mehr als der Hälfte. Siehe da, sofort erwärmten sich alle Seiten des Ofens. Ah ja, sehr schön. So funktioniert das also. Zufrieden über meine Erkenntnis legte ich mich erneut ins Bett. Die Daunenhose konnte ich inzwischen schon ausziehen. Diese war nicht mehr nötig.
Nach einiger Zeit wurde ich erneut wach. Ich hatte einen seltsamen Traum. Irgendetwas mit ersticken. Du lieber Gott. Ich schreckte hoch in meinem Bett. Was wenn das Feuer nun allen Sauerstoff im Raum verbraucht? Bestand die Gefahr zu ersticken? Ich sortierte meine Gedanken und öffnete vorsichthalber schon mal schnell die Eingangstür um Sauerstoff herein zu lassen. Wie war das nochmal mit der Kerze und dem Sauerstoff. Wieder hektisch kramte ich im Schrank. Ich hatte doch irgendwo Kerzen gesehen. Tatsächlich. Im Haus gab es drei Kerzen. Ich stellte eine auf den Tisch und zündete diese an. Gut. Brennt. Ist also noch genügend Sauerstoff im Raum. Nun konnte ich die Eingangstür auch wieder schließen, denn inzwischen wurde es empfindlich kalt.
Ja aber sollte ich nun weiterschlafen oder nicht? Das Ganze war mir zu unsicher. Ich entschloss mich meinen Schwiegervater in anzurufen. Das Handy funktionierte und Wolfram meldete sich am anderen Ende der Leitung in Deutschland. Völlig aufgelöst schilderte ich ihm mein Problem. Wolfram lachte und meinte ich sollte mir keine Sorgen machen. Das mit der Kerze fand er besonders drollig. Er gab mir den Hinweis, dass es in sibirischen Häusern mit Sicherheit genügend Ritzen und Löcher gäbe, durch die ausreichender Sauerstoff ins Haus käme und ich vorerst nicht ersticken müsse.
Da hatte er wohl recht, denn ich konnte überall am Boden zwischen den Holzdielen teileweise daumengroße Ritzen entdecken. Darüber hinaus war der Abstand zwischen den Bodendielen zum Haus auf der rechten Seite deutlich größer als auf der linken Seite. Genauer gesagt circa 5 cm. Nichts desto Trotz öffnete ich vorsichthalber doch noch einmal für ein paar Minuten die Tür. Sicher ist sicher.